Partizipation der Schülerinnen und Schüler
W
ie werden die Kinder und Jugendlichen mitverantwortlich für das
Zusammenleben in der Schule?
Kinder und Jugendliche werden in der Gestaltung des Schulalltags in Twann direkt einbezogen. Ihre Beobachtungen, Meinungen und Ideen zum gelingenden Zusammenleben in der Schule werden von den Lehrpersonen und von der Schulleitung ernst genommen. Der Schulalltag, die Regeln und Abläufe werden möglichst so ausgestaltet, dass jedes Kind, jeder Jugendliche sich sicher und angenommen fühlt sowie seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechend lernen kann. Zentrale Elemente der Mitbeteiligung der Schülerinnen und Schüler sind der Klassenrat und die Klassensprechertreffen.
Der Klassenrat
In den Klassen der Zyklen 2 und 3 wird wöchentlich ein Klassenrat durchgeführt. Dieses Klassengespräch wird von zwei Schülerinnen oder Schülern geleitet, wobei die Klassenlehrperson unterstützend begleitet, je nach Thema und Gesprächsverlauf auch Stellung nimmt und mitsteuert. Während der Woche können Kinder und Jugendliche ihre Themen anmelden, z.B. in dem sie auf einem Zettel kurz ihre neue Idee oder ihr Problem beschreiben und in einen Klassenbriefkasten werfen. Daraus erstellen die Klassenratleitenden die Traktandenliste. Alle Anliegen werden diskutiert, Ideen für Veränderungen aufgenommen, bei Problemen gemeinsam nach Lösungen gesucht und nächste Schritte vereinbart. Weitere feste Traktanden eines Klassenrats sind häufig: einander positive Rückmeldungen zur vergangenen Woche geben, zurückschauen auf einzelne Themen des letzten Klassenrats, Stellung nehmen zu Themen der Schulleitung oder der Klassensprecherrunde, Feedback geben an die Schülerin, den Schüler die den Klassenrat leiten. Die Themen und Beschlüsse des Klassenrats werden von einem Schüler oder einer Schülerin protokolliert. Abstimmungen mit ja/nein sind sehr selten, sondern Entscheide und Lösungen werden diskutiert und ausgehandelt, bis möglichst alle (auch die Lehrpersonen, der Schulleiter, der Hauswart!) gut damit leben können oder einen Versuch mit dieser Neuerung befürworten.
Die Klassensprechertreffen
Jede Klasse wählt aus jedem Jahrgang eine Schülerin oder einen Schüler als Klassensprechende. Diese sieben Klassensprechenden treffen sich nach Bedarf, mindestens einmal pro Quartal, mit dem Schulleiter zu einem Informationsaustausch. Dort können Anliegen einer Klasse oder eines ganzen Zyklus eingebracht und mit allen Klassensprechenden gemeinsam diskutiert werden. Der Schulleiter nutzt die Klassensprechertreffen auch um aktuelle Themen oder Fragen (z.B. der Lehrpersonen) mit den Schülerinnen und Schülern zu besprechen, ihre Meinung dazu einzuholen und ihre Lösungsvorschläge anzuhören. Je nachdem werden diese Anliegen im nächsten Klassenrat mitgeteilt und mit der Klasse diskutiert. So erleben die Schülerinnen und Schüler eine Form der Mitwirkung über Klassensprechende und Vernehmlassungen, und sie wirken je älter sie werden aktiv am lernförderlichen Klima der Schule mit.
Aufbau sozialer Kompetenzen
Im Klassenrat und den Klassensprechertreffen lernen die Kinder und Jugendlichen sich für ihre eigenen Bedürfnisse und Rechte einzusetzen sowie gleichzeitig die Bedürfnisse der Lehrpersonen, der Schulleitung, der älteren und jüngeren Schülerinnen und Schüler, des Hauswarts wahrzunehmen und zu respektieren. Altersentsprechend werden sie einbezogen und befähigt zur Mitverantwortung. Sie werden für ganz unterschiedliche Sichtweisen und Bedürfnisse ihrer Mitschülerinnen und -schüler sensibilisiert, entwickeln ihre Empathiefähigkeiten weiter und lernen Kompromisse auszuhandeln und umzusetzen. Viele Konflikte und Probleme werden im Klassenrat und/oder in der Klassensprecherrunde gemeinsam und transparent gelöst, sodass Abmachungen nachvollziehbar sind und meist auch gut eingehalten werden. Immer wieder eindrücklich sind die vielfältigen Lösungsideen und kreativen Vorschläge der Kinder und Jugendlichen. Schulleitung und Lehrpersonen lernen dadurch viele Ressourcen der Schülerinnen und Schüler kennen und schätzen. Durch die Leitung eines Klassenrats und die Protokollführung werden wesentliche kommunikative, soziale und sprachliche Lernprozesse ausgelöst. Grundlegende Aspekte unserer direkten Demokratie, z.B. offene Diskursfähigkeit, Kompromissbereitschaft, Berücksichtigen von Minderheiten, werden im Schulalltag erlebt und können entwicklungsentsprechend reflektiert werden. Diese laufenden Lernprozesse der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen sind ein wesentliches Element der Gemeinschaftsbildung an der Schule Twann.
Mitwirkung im Zyklus 1
Im Zyklus 1, in den Basisstufenklassen, findet ein Informationsaustausch sowie Aussprachen zu Regeln und Konflikten auch mit der ganzen Klasse statt, geleitet durch die Lehrpersonen. Dort können Kinder Ideen, Vorschläge und Anliegen einbringen und sich darüber austauschen. Bei Vernehmlassungen oder der Planung von Schulanlässen (z.B. dem Medienpädagogischen Projekt 2018) wurde erfolgreich erprobt, dass zwei Jugendliche des Zyklus 3 die Kinder einer Basisstufenklasse interviewen oder mit ihnen verschiedene Vorschläge diskutieren. Damit konnten auch die Meinungen der jüngsten Schülerinnen und Schüler gehört und mitberücksichtigt werden.
Um die Kinder auf verschiedene Gruppenleitungsaufgaben, auch die spätere Leitung eines Klassenrats, vorzubereiten, lernen sie in Basisstufenklassen die Leitung des Morgenkreises zu übernehmen. Ein Morgenkreis dauert etwa 10-15’, enthält verschiedene Teile (u.a. Begrüssungslied, Erzählrunde, Datum und aktuelles Wetter) in einer stets gleichen Abfolge. Ein Kind übernimmt die Leitung des Morgenkreises, nachdem es sich dafür gemeldet hat, mit Hilfe von Bildkarten und mit der Unterstützung einer Lehrperson. Es bekommt konstruktive Rückmeldungen dazu von den anderen Kindern und/oder von der Lehrperson. Damit werden wesentliche soziale Kompetenzen aufgebaut und der Selbstwert der Kinder gestärkt.
Brigitte Gross Rigoli, Dozentin und Projektleiterin PHBern
Partizipation der Lehrpersonen
W
ie entwickeln die Lehrpersonen gemeinsam Unterricht und Schule weiter?
Die Lehrpersonen an der Schule Twann arbeiten in verschiedenen Gruppierungen regelmässig zusammen. Der Schulleiter, Michael Rüegger, etablierte in den letzten vier Jahren Strukturen der Zusammenarbeit unter den Erwachsenen und mit den Kindern und Jugendlichen. Dabei unterstützte das Partnerschulprojekt des Instituts für Heilpädagogik (IHP) der Pädagogischen Hochschule Bern (PHBern) diese Entwicklung nachhaltig.
Diese Zusammenarbeitsstrukturen ermöglichten den Aufbau einer sehr tragfähigen Kultur des gemeinsamen Gestaltens des Schulalltags, geprägt von gegenseitiger Wertschätzung und Mitverantwortung aller Mitarbeitenden. Gemeinsam werden insbesondere zyklusspezifische und zyklusübergreifende Projekte und Schulanlässe, die Elternzusammenarbeit und die Öffentlichkeitsarbeit geplant, umgesetzt und ausgewertet. Die Auseinandersetzung mit der Heterogenität erfolgt nicht nur auf der Ebene der Klasse, der Kinder und Jugendlichen, sondern auch auf der Ebene des Kollegiums, der Lehrpersonen und Schulmitarbeitenden, in Form professioneller Kooperationen. Diese Partizipation der Lehrpersonen und der Schülerinnen und Schüler unter Führung der Schulleitung bildet die Basis der Gemeinschaftsbildung an der Schule Twann.
Klassenteamsitzungen
Kernelemente der Zusammenarbeit der Lehrpersonen sind die Sitzungen des Klassenteams und die Zyklusgruppentreffen. Meist wöchentlich, in definierten Zeitgefässen, treffen sich die Lehrpersonen einer Klasse zu einer Arbeitssitzung im Klassenteam. Oft nimmt daran auch die für die Klasse zuständige Schulische Heilpädagogin teil, nach Bedarf auch die Schulsozialarbeiterin. Dieser Austausch von Beobachtungen und Unterrichtserfahrungen, das Besprechen von Gelungenem und Schwierigkeiten im multiprofessionellen Team ist Basis der professionellen Kooperation. Dank konstruktiver, offener Kommunikation können unterschiedliche Vorstellungen und Haltungen wahrgenommen, spezifisches Erfahrungs- und Fachwissen weitergegeben und gemeinsam Probleme, z.B. in der Lernbegleitung eines Kindes oder Jugendlichen, erkannt sowie Absprachen, z.B. in der Klassenführung getroffen werden. Keine Lehrperson ist mehr „Einzelkämpferin“ in der Planung und Reflexion ihres Unterrichts. Viele Lehrpersonen unterrichten einige Lektionen (Zyklen 2 und 3) oder viele Wochenstunden (Basisstufenklassen) zu zweit in verschiedenen Formen des Teamteachings oder unterrichten mit Unterstützung einer der Schulischen Heilpädagoginnen. Die gemeinsame Auseinandersetzung und der konstruktive Umgang mit Misserfolgen („Fehler“ als Lernchance) und mit pädagogischen Spannungsfeldern führen zu einer tragfähigen gegenseitigen Unterstützung. Eine besondere Bedeutung hat dabei der Aufbau einer Feedbackkultur innerhalb des Klassenteams und der Zyklusgruppe. Wohlwollende Kritik und wertschätzende Rückmeldungen zu Kooperationsprozessen tragen zur Vertrauensbildung bei. Dann können sich alle Lehrpersonen selber als Lernende erfahren und konstruktiv einbringen.
Zyklusgruppentreffen
Dem Lehrplan 21 entsprechend sind die drei Zyklusgruppen in Twann zusammengesetzt: die Lehrpersonen der Basisstufenklassen im Zyklus 1, die Lehrpersonen der 3.- 6. Klassen im Zyklus 2, die Lehrpersonen der 7.-9. Klassen im Zyklus 3. Jede Zyklusgruppe trifft sich etwa siebenmal pro Schuljahr zu einer zweistündigen Sitzung. Diese dienen dem Erfahrungsaustausch und der Auseinandersetzung mit organisatorischen, fachlichen und pädagogischen Fragen und Themen. Dort werden u.a. neue Ideen aufgegriffen, Veränderungen angedacht und innovative Projekte im Zyklus entwickelt und geplant. Themen die die ganze Schule betreffen, werden festgehalten und in die nächste Steuergruppensitzung eingebracht. Eine oder zwei Lehrpersonen pro Zyklus leiten die Zyklusgruppe und vertreten sie in der Steuergruppe. Die Themen und Ergebnisse eines Zyklusgruppentreffens werden protokolliert und für alle Lehrpersonen und die Schulleitung einsehbar abgelegt. Dies unterstützt den Wissenstransfer zwischen den Zyklen. Der Schulleitung ermöglicht es einen laufenden Einblick in aktuelle Themen der drei Zyklen.
Bei Vernehmlassungen spielt die Zyklusgruppe oft eine wichtige Rolle: Vorschläge der Schulleitung und/oder der Steuergruppe oder der Klassensprecherrunde, z.B. zu einem Schulanlass, zu einer internen Lehrerweiterbildung, zu einem neuen Gesamtschulprojekt, zu einem chronischen Konflikt auf dem Pausenplatz, werden in der Zyklusgruppe diskutiert und das Ergebnis in der Steuergruppe eingebracht.
Die Steuergruppe setzt sich aus je 2 Vertreterinnen der drei Zyklusgruppen, einer Schulischen Heilpädagogin und dem Schulleiter zusammen. Sie trifft sich 1-2mal pro Quartal. Die Steuergruppe ist neben den Gesamtkonferenzen ein wesentliches Führungsinstrument der Schulleitung. Dort werden wichtige Informationen ausgetauscht und organisatorische, pädagogische, fachliche und strategische Fragen aufgegriffen und diskutiert.
Brigitte Gross Rigoli, Dozentin und Projektleiterin PHBern